Umkämpfter Raum. Interessenskonflikte um touristische Infrastrukturen
Tourismus ist ein Schauplatz für Interessenskonflikte. Dies zeigt sich auch in Mönichkirchen, wo ein Parkplatzprojekt 2019 heftige Proteste auslöste.
Saisonaler Tourismus
Der Tourismus in Österreich ist stark saisonal geprägt. Viele Wintersport-Destinationen werden während weniger Wochen im Winter besucht; temporär ändert sich das Leben vor Ort von Leere zu Hochbetrieb. Während der Hochsaison wird eine große Anzahl an Gästen empfangen, entsprechend sind „die infrastrukturellen Grundlagen wie Straßen, Parkplätze und Nahversorgung […] auf diese Zahlen ausgerichtet“.[i] Die Saisonalität des Tourismus in Mönichkirchen führt zu unterschiedlichem Nutzungsverhalten, was wiederum unterschiedliche Infrastrukturen erfordert. Das Schigebiet Mönichkirchen-Marienssee macht den Ort im Winter zu einem beliebten Ausflugsziel. Ein Mönichkirchner Unternehmer klagt: „Das ist das Problem: Zwei, drei Monate könntest du alles dreifach vermieten, da haben wir aber keine Betten mehr frei. Und dann gibt es Zeiten, da sind die Unterkünfte leer oder halbleer“.[ii] Doch nicht nur die Auslastung von Unterkünften spielt für die Bewohner*innen eine Rolle, sie haben auch andere Anliegen. Die Europäische Ethnologin Nikola Langreiter ruft uns in Erinnerung:
„Bevölkerung und UrlauberInnen befinden sich zwar zur selben Zeit am selben Ort, beide zu einem anderen Zweck: TouristInnen befinden sich in der ‚Gegenwelt des Urlaubs‘, während die Bereisten mitten in ihrem Alltag stecken“[iii]
Parkplatzkonflikte. Zwischen Bewohner*innen und Unternehmer*innen
2019 wurde bekannt, dass ein 1,2 Hektar großes Stück Wald in Mönichkirchen gerodet werden sollte, um den Parkplatz für das Schigebiet Mönichkirchen-Mariensee zu erweitern. Unter dem Namen „Unser Mönichkirchen“ formierte sich eine lokale Initiative, die sich gegen diese Maßnahme stellte. Sie brachte vor allem ökologische Einwände gegen das Projekt ein, das 250 zusätzliche Parkplätze bereitstellen sollte. Ziel der Proteste war es, den Wald zu retten und die weitere Bodenversiegelung im Quellgebiet zu verhindern. Die Protestierenden – unter ihnen Anrainer*innen, Zweitwohnsitzer*innen, sowie gebürtige Mönichkirchner*innen – versuchten auf verschiedene Weise Aufmerksamkeit auf ihre Protestkampagne zu lenken. Sie brachten eine Petition in Umlauf, hängten Banner auf und organisierten sowohl im Frühling 2019 als auch am Tag des Baustarts im September 2019 eine Demonstration. Die zum Zeitpunkt amtierende Gemeindevertretung stellte sich hinter das Bauprojekt und begründete, ebenso wie auch die Liftbetreibenden, den Ausbau des Parkplatzes mit einer vermeintlichen wirtschaftlichen Notwendigkeit. Das Angebot, direkt beim Lift zu parken, sollte eine Maßnahme sein, um (Schigebiets-)Gäste und damit den Wintertourismus in Mönichkirchen zu halten:[iv] „mit Kind und Kegel und den schweren Skischuhen mehr als einen Kilometer zur Talstation marschieren müssen. Einfach unzumutbar und gästefeindlich!“,[v] so der ehemalige Bürgermeister Mönichkirchens in einem Leserbrief. Die Gegner*innen hingegen betonten, dass diese Parkplätze nur an wenigen Tagen im Jahr, während „schulfreien Schönwettertagen mit ausreichender Schneelage“[vi] benötigt würden. Die durch den Parkplatzbau nicht gelösten Verkehrsprobleme – wie etwa fehlende Gehsteige, Staub und Lärmbelastung im Ort – würden womöglich „[d]ie touristische Wirtschaftsentwicklung und die Attraktivität des heilklimatischen Höhenluftkurortes Mönichkirchen“[vii] beeinträchtigen. Auch die Gegner*innen thematisierten damit die Wichtigkeit des Tourismus für den Ort. Als Alternative schlugen sie unter anderem einen Shuttle-Dienst zur Talstation des Liftes vor. Der Widerstand gegen den Parkplatzbau verschaffte sich zwar Gehör, dennoch wurde das Projekt der Niederösterreichischen Bergbahnen schlussendlich genehmigt. Mit dem Baustart Anfang September 2019 wurde es umgesetzt und in der Wintersaison 2019/2020 in Betrieb genommen.
Der Parkplatz-Konflikt in Mönichkirchen macht deutlich, dass Bewohner*innen eines Tourismusortes durchaus unterschiedliche Interessen und Vorstellungen haben, was die Nutzung ihrer räumlichen Umgebung angeht. Der Konflikt erlaubt es uns außerdem, einen Blick auf die drängenden Fragen zur Zukunft des Wintertourismus in Österreich zu werfen. Einerseits sollte er erhalten werden, wegen seiner zentralen wirtschaftlichen Bedeutung für viele Regionen. Deshalb werden Skigebiete zusammengeführt, Beschneiungsanlagen angeschafft und auch Infrastrukturen wie Parkplätze ausgebaut. Gleichzeitig gibt es Bedenken und immer mehr kritische Stimmung bezüglich der Nachhaltigkeit der immer häufiger verwendeten technischen Beschneiung, der Auswirkungen von intensiv genutzten Skipisten auf die Biodiversität der entsprechenden Wiesen und Hänge, ebenso wie Einwände gegen eine steigende Bodenversiegelung durch Bauprojekte wie Parkplätze. Es gilt also andererseits, ein wachsendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung (von Fremdenverkehrsorten) zu berücksichtigen, das mit Fragen nach Nachhaltigkeit und Zukunft des (Winter-)Tourismus in Anbetracht des Klimawandels eng verbunden ist.
Abbildungsverzeichnis
Postkarte: © Fotografie aus Privatbesitz
Abbildung 1: © Fotografie von Tabea Christa, 02.08.2022
Abbildung 2: © Fotografie aus Privatbesitz
Abbildung 3: © Fotografie von Tabea Christa, 03.08.2022
Abbildung 4: © Fotografie von Tabea Christa, 03.08.2022
[i] Stotten, Rike: Tourismuseinwirkungen auf zwei Dörfer mit unterschiedlichen Entwicklungspfaden: Vent und Obergurgel (Tirol). In: Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes 17 (2020), Heft 1, S. 116–132, hier S. 128.
[ii] Interview mit Alois Reithofer, geführt von Tabea Christa, am 03.08.2022.
[iii] Langreiter, Nikola: Im Zillertal. Gespräche über das Leben in einer Tourismusregion. In: Etnološka tribina, Journal of Croatian Ethnological Society 30 (2000), Heft 23, S. 5-24, hier S. 18.
[iv] o.V.: Umstrittener Parkplatzbau in Mönichkirchen. In: Niederösterreich ORF, 14.08.2019, https://noe.orf.at/magazin/stories/3008368/ (Zugriff: 03.02.2023).
[v] Stern, Franz: „Keine Maximierung der Gästezahlen!“ In: Niederösterreichische Nachrichten, 15.09.2019, https://www.noen.at/leserbriefe/leserbrief-keine-maximierung-der-gaestezahlen-bezirk-neunkirchen-moenichkirchen-parkplatz-verkehrssituation-162564214 (Zugriff: 03.02.2023).
[vi] o.V.: Mönichkirchen, das g’sunde Bergdorf? Wald statt Asphalt! Parkplatz geplant bei Quellschutzgebiet! (o.D.) https://www.openpetition.eu/at/petition/online/moenichkirchen-das-gsunde-bergdorf-wald-statt-asphalt-parkplatz-geplant-bei-quellschutzgebiet#petition-main (Zugriff: 03.02.2023).
[vii] o.V.: Mönichkirchen, das g’sunde Bergdorf? Wald statt Asphalt! Parkplatz geplant bei Quellschutzgebiet! (o.D.) https://www.openpetition.eu/at/petition/online/moenichkirchen-das-gsunde-bergdorf-wald-statt-asphalt-parkplatz-geplant-bei-quellschutzgebiet#petition-main (Zugriff: 03.02.2023).